Dr. Susanne Schmida
(* 1894 in Bystritz, heute Mähren – † 1981 in Wien), Philosophin,
Yoga- und Tanzlehrerin, Pionierin einer interkulturellen und transreligiösen Lebensweise.
Als eine der ersten Frauen überhaupt promoviert Susanne Schmida 1919 an der Universität Wien im Fach Philosophie mit Auszeichnung. Thema: Friedrich Nietzsche. Tanz und Theater faszinieren sie. 1921 gründet sie den »Reiningerkreis« am Institut für Philosophie an der Universität Wien, ein akademisch anerkanntes Diskussions- und Gesprächsforum, bei dem sich Philosophen, Naturwissenschafter und Indologen zum interdisziplinären und interkulturellen Gespräch trafen, und das sich bis in die Siebziger Jahre gehalten hat. Seit 1923 ist sie mit dem Philosophen Victor Brod – bis zu seinem Tod 1969 – verheiratet.
Überkommene gesellschaftliche Formen – Geschlechterrollen, Institutionen wie Religion und Familie – sieht sie mit sehr kritischem, feministisch motivierten Blick. Es geht ihr um die Aufhebung der Entfremdung des Menschen von seinem wirklichen Selbst.
Bereits bei ihrem Doktorvater Robert Reininger hat Susanne Schmida sich mit außereuropäischer, vor allem indischer Philosophie beschäftigt. In den 1920er Jahren studiert sie Yoga u.a. anhand der Schriften von Sivananda. Sie beginnt, Hatha-Yoga, Pranayama und Ausdruckstanz zu unterrichten. 1934 gründet sie die »Schule des Bundes für neue Lebensform«. Susanne Schmida grenzt sich deutlich von den nationalistischen und rassistischen Tendenzen der Zeit ab. Eine europäische Kultur, die auch Aussereurpäisches wertschätzt und integriert, das ist das Ziel des »Bundes für neue Lebensform«, bis heute der Name des Trägervereins der »Yoga-Schule Dr. Schmida«.
In den 1970er Jahren entwirft Susanne Schmida einen Schulungsweg für eine »Religiosität jenseits der Religionen«. Yoga, Rituale, Philosophie, Meditation, das sind die Säulen dieses Schulungsweges. Visionäre Fähigkeiten genauso wie ethische Reflexion und kritisches Denken soll geschult werden, mit dem Ziel, offen zu werden für das Absolute.
»Der Mensch ist ein Wesen, das fragt und seine Fragen gehen weiter als bloß zur Sicherung des Daseins nötig wäre, denn seine Bewußtheit reicht über die Grenze des bloßen Lebens hinaus, da der Mensch sich seines Sterbens bewußt ist. Die Antwort auf diese Frage sucht er sich durch die Religionen zu geben oder durch die Philosophie. Religion ist mythologisches Denken, Philosophie voraussetzungsloses Denken. Zu beiden gehört Versenkung zur Erlebnistiefe, sonst sind beide nur leere Hülsen.«
(Susanne Schmida)
Aus der Spannung in Susanne Schmidas Leben und Denken – auf der einen Seite die meditierende Visionärin, Tänzerin und Dramaturgin, auf der anderen Seite die kritische Philosophin – entsteht eine sehr produktive Form der Integration. Sie bleibt in der Tradition der europäischen Aufklärung, ermutigt aber »alle Menschen aller Kulturen und Religionen, die über die intellektuelle Aufklärung hinaus noch etwas anderes suchen … Die nur durch die Nachinnenwendung zu gewinnende Erlebnistiefe, die zugleich Nirvana ist.
(Zusammenfassung von: Ursula Baatz, Für eine Religiosität nach dem Ende der Religionen:
Yoga – Tanz – Philosophie. Susanne Schmidas Einweihungsweg.
In: Kybele – Prophetin – Hexe. Religiöse Frauenbilder und Weiblichkeitskonzeptionen.
Hrsg. Richard Faber und Susanne Lanwerd. Würzburg 1997: 185-212.)